Einführung zum Thema Medienfreiheit, Teil 2 ("Killerspiele", Horrorfilme&Co)

->Teil 1

Nachdem ich zuletzt schon einen Beitrag über meine persönliche Geschichte im Kampf gegen die Spielezensur eingefügt hatte, möchte ich mich in diesem Teil zu meinen Ansichten und Zielen zu dem Thema äußern.

Die Bundesrepublik Deutschland ist zwar kein klassich autoritärer Staat und rühmt sich einer so genannten "freiheitlich-demokratischen Grundordnung", doch die Freiheit im Privatbereich und in Fantasiewelten wurde schon kurz nach ihrer Entstehung beschnitten: 1954 wurde nämlich die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften BPjS, heute Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, BPjM, gegründet. Ziel war damals vor allem so genannte "Schmutz- und Schundliteratur", die als ach so gefährlich hingestellt wurde, dass man die Jugend davor "schützen" musste. Und, wass es zumindest fraglich erscheinen lässt, ob wirklich nur Jugendschutz das Ziel war, wurden mit der Indizierung durch die neue Stelle so strenge Verkaufsbeschränkungen eingeführt, dass betroffene Medien kaum noch Gewinn bringend verkauft werden konnten und so vom Markt verdrängt wurden.

Das, was der Öffentlichkeit als "Jugendschutz" verkauft wurde, war also die Einrichtung einer Zensurbehörde, die auch Erwachsene in ihrer Medienfreiheit beschnitt, indem sie Inhalte, die nur in der Fantasie spielten und im Privatbereich genutzt wurden, verdrängte. Die BPjM behauptet zwar, keine zu sein, begründet das aber nur damit, dass sie Medien nicht vor Veröffentlichung prüft. Das ist natürlich unsinnig, verhindert eine nachfolgende Indizierung oder gar Strafverfolgung doch von vorne herein die Entstehung möglicher Weise betroffener Medien. Als Zensur muss vielmehr jedes Bestreben gewertet werden, die individuelle Freiheit bei Medien unter nachrangige Dinge, wie politische Machtinteressen oder gesellschaftliche Sitten- und Normvorstellungen zu zwingen.

In den 1980er-Jahren indizierte die BPjM praktisch alle Computerspiele, in denen irgendwie Kriegshandlungen vorkamen.

Dazu kam 1985 einer der schlimmsten Sündenfälle bundesdeutscher Medienpolitik, die Umwandlung des Gewaltdarstellungs-Paragrafen §131 in ein Zensurgesetz gegen die damals populären Horrorvideos. Mit der Verbreitung von Videorekordern und Videotheken hatte in den 1980er-Jahren eine neue Freiheit Einzug gehalten: Filme waren nicht mehr nur auf den Mainstream zugeschnitten, sondern auch auf extremere Randgruppen, denen es am Schockeffekt durch Gewalt, Blut- und Ekeleffekte lag. Zahlreiche Filme entstanden, die Blut- und Hackfleischeffekte bis ins letzte Detail zeigten und so das Genre des Splatterfilms schufen. Extreme Low-Budget-Produktionen wurden zu Trendsettern; so gilt bis heute "Tanz der Teufel" als ein Meisterwerk unter den Horrorfilmen. Der Regisseur, Sam Raimi, ist heute Starregisseur, ebenso wie Peter Jackson ("Herr der Ringe"), der mit "Braindead" ein blutiges Debüt lieferte.

Was den Fans gefiel, rief selbst ernannte Sittenwächter auf den Plan, die ihren Geschmack allen anderen aufnötigen wollten und hierzu letztlich den §131 umfunktionierten. In den letzten Jahren wurde dieser Paragraf auch zunehmend gegen Computerspiele angewendet.

Dass jemand gestellte Verbrechen in Filmen oder Videospielen abartig findet und ablehnt, ist normal, aber das ist seine persönliche Haltung, die er niemandem aufzwingen darf. Auch ich würde es als pervers empfinden, wenn jemand in einem Computerspiel virtuelle Kinder vergewaltigen und dann möglichst grausam umbringen müsste. Aber: Es wird kein echtes Kind dadurch geschädigt und auch nicht dazu in der Realität angestiftet, damit fällt der einzig legitime Verbotsgrund weg und ich habe kein Recht, ihm ein solches Spiel zu verbieten!

Ich setze mich demgegenüber dafür ein, dass Privates privat bleibt und fiktionale und virtuelle Welten dem Zugriff von Staat und Sittenwächtern entzogen bleiben. Medien, die nur mit fiktiven Charakteren und in fiktiven Szenarien spielen, dürfen vom Staat keinerlei sittlich-normativen oder geschmacklichen Grenzen unterworfen werden! Auch, wenn staatliche Entscheidungsträger, Journalisten oder die Gesellschaftsmehrheit ein Computerspiel oder einen Film noch so abartig und pervers finden: Freiheit bedeutet, dass der Nutzer, spätestens mit dem vollendeten 18.Lebensjahr, ein Recht darauf hat, das ihm niemand nehmen darf.

Doch auch der Jugendschutz muss kritisch hinterfragt werden: So droht er immer wieder zum "Erwachsenenschutz" auszuarten oder ist gar direkt nur Vorwand für allgemeine Zensur. Gibt es überhaupt so etwas wie "jugendgefährdende Medien"? Denn niemand wird durch einen Horrorfilm oder ein Computerspiel mit Gewalt- und Tötungshandlungen in irgend einer Weise in Leib, Leben und Gesundheit gefährdet. Die Behauptung einer "sittlichen Verrohung" ist willkürlich und spekulativ - nichts, was Zensurmaßnahmen rechtfertigen würde. Dazu müssten eventuelle negative Effekte, so es sie denn geben sollte, gegen den Gewinn an Spaß und Lebensfreude durch solche Medien abgewogen werden. Insgesamt komme ich zu dem Schluss, dass es sicher für Kinder und Jugendliche ungeeignete Medien gibt, aber keine wirklich gefährlichen! Ein Kind am Bildschirm mit der Kettensäge Gegner zerstückeln zu lassen, ist sicher nicht passend und kindgerecht, aber das Kind hat dadurch keinen wirklichen Schaden.

Darum ist es besser, den gegenwärtigen "Jugendschutz"-Begriff durch den Begriff "Erziehungshilfe" zu ersetzen. Dies bedeutet, dass der Staat, etwa durch Altersfreigaben, die elterliche Erziehung unterstützt, aber keine staatliche Verbotspraxis statt findet.

Meine persönlichen Ziele im Bezug auf Medienfreiheit:
  • Ersatzlose Abschaffung der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) und der Indizierungspraxis
  • Rückführung des Gewaltdarstellungs-§131 auf den Stand vor 1985, Aufhebung der darauf beruhenden Horrorfilm-Verbote und jeder sonstigen Zensurfunktion gegen fiktionale Unterhaltungsmedien
  • Abschaffung sonstiger Medienzensurgesetze, z.B. JMStV
  • Altersfreigaben auf Medien als Unterstützung der elterlichen Erziehung; die Freigabe ab 18 darf dabei keiner inhaltlichen Beschränkung mehr unterliegen und darf nicht verweigert werden
  • Aufhebung aller behördlichen und rechtlichen Verbote gegen reale Kampfspiele wie z.B. Paintball und Laserdrome.
  • NS-Inhalte in Videospielen: Verfolgung höchstens, wenn diese der Verbreitung von NS-Ideologie, Rassenhass oder ähnlichem dienen, nicht bei rein historischem, scherzhaftem oder sonstwie nicht-propagandistischem Hintergrund - entsprechend der jetzigen Handhabung bei Filmen.
  • Abschaffung der 184er-Paragrafen (Pornografie, Prostitution). Auf realen Sexualverbrechen (Kindesmissbrauch, Vergewaltigung) basierende Pornos in den zuständigen Gesetzen verfolgen (z.B. §176, §177 StGB)
  • Abschaffung und Verhinderung jeglicher staatlicher Kontrolle über den Datenabruf im Internet, z.B. "Zugangserschwerungsgesetz", Stoppschild-Seiten usw.

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