Mittwoch, 5. Januar 2011

RFID: Ortung statt Ordnung!

Das System der Radio Frequency Identification (RFID) wird in der Wirtschaft zunehmend zur Kennzeichnung von Waren verwendet, um diese besser verwalten zu können. Kleine, preiswerte Etiketten mit Mini-Funksendern kennzeichnen die Artikel und liefern bei Bedarf Informationen über sie. Doch auch im Privatbereich ist RFID einsetzbar: Gegenstände im Haushalt können mit RFID-Etiketten gekennzeichnet und somit leicht über einen Peilsender gesucht und geortet werden. Letztlich kann ein solches System den Zwang zu Ordnung, beziehungsweise das ständige Suchen nach verlegten Gegenständen, beseitigen.

Der Zwang, Ordnung zu halten, ist eine Alltagsplage, die bislang kaum überwunden wurde. Man muss sich schinden, oder, was häufig vorkommt, man scheitert an der Ordnungsforderung und muss sich seiner Messie-Wohnung schämen und ständig verlorene Sachen suchen. Dabei ist das Scheitern an der Ordnung fast vorprogrammiert, gehören doch dazu zwei Verhaltenskomponenten:
  • Das Aufräumen, eine lästige Pflicht, zu der man sich durch extreme innere Brutalität gegen sich selbst quälen muss. Da nur begrenzt äußere Kontrolle besteht (Besuch, Eltern, Ehepartner usw.), wird sie nicht oder erst im letzten Moment erledigt, da man sich die Gewalt gegen sich selbst ersparen will. Wenn man in seiner Wohnung kein festes System hat, ist Aufräumen besonders langwierig, weil die Sachen oft nur von einer Ecke in die nächste geräumt werden, ohne dass sie einen endgültigen Platz haben.
  • Das bewusste Überwachen und Durchdenken praktisch jedes alltäglichen Handgriffs, damit man gebrauchte Gegenstände sofort wieder an Ort und Stelle zurück legt. Wenn man also auf dem Sofa sitzt, eine Zeitschrift liest und dann plötzlich Hunger bekommt, muss man, wenn man in die Küche gehen will, erst daran denken, die Zeitschrift weg zu räumen. Klappt das nicht, aus mangelnder Disziplinbegabung, im verstärkten Fall bei Störungen wie dem Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADS, ADHS), bleiben alle Gegenstände liegen, wo man sie gebraucht hat, die Zeitschrift, nach dem Essen das dreckige Geschirr, und die Wohnung sieht wenige Stunden nach dem Aufräumen so chaotisch aus wie vorher.
Es bietet sich also an, Technologien zu nutzen, die den Zwang zur Ordnung zumindest teilweise aufheben. Die RFID-Technologie wird derzeit vor allem benutzt, um Informationen über Artikel zu gewinnen, wie Bezeichnung, Haltbarkeit, Produktionsdatum und dergleichen. Die Artikel laufen auf einem Band durch einen RFID-Scanner oder ein Mitarbeiter geht mit einem Handscanner an ihnen entlang und liest die Informationen ein. Der RFID-Scanner enthält dabei einen Sender, der die RFID-Funketiketten an der Ware anspricht. Diese senden darauf hin ihre Informationen zurück zum Scanner.

Es gibt dabei verschiedene Typen von RFID-Etiketten (so genannten "Tags" oder "Transponder"):
  • Etiketten für sehr kurze Distanz (ca. ein Zentimeter): Sie funktionieren wie bisher schon Barcodes, indem sie mit einem Handscanner oder einer Scannerschranke ausgelesen werden können. Für die Suche ungeeignet, weil die Position des Gegenstands bekannt sein muss.
  • Etiketten für kurze Distanz (bis ein Meter): Ähnlich wie bei sehr kurzer Funkdistanz ist hier die Reichweite ungenügend zur Suche und Ortung.
  • Etiketten für mittlere Distanz (ein bis mehrere Meter): Sie eignen sich für die Suche nach Gegenständen, indem man etwa ein Zimmer mit dem Scanner absucht. Die Etiketten sind preiswert (sog. passive RFID-Tags) und damit für die Kennzeichnung einer Vielzahl von Gegenständen geeignet.
  • Etiketten für große Distanz (5 bis >15 Meter): Sie eignen sich für das Absuchen eines größeren Bereichs, müssen aber so genannte aktive RFID-Tags sein, die eine eigene Energiequelle haben und deutlich teurer sind, daher nicht für die massenhafte Kennzeichnung von Haushaltsgegenständen geeignet.
(Die Definitionen weichen von den sonst gängigen etwas ab, da Reichweiten unter einem Meter für den hier genannten Zweck nicht ausreichen)

Die RFID-Chips selbst müssten angepasst werden, so dass sie nur auf bestimmte Anforderung hin reagieren und Funksignale senden. Herkömmliche RFID-Transponder antworten immer, wenn sie auf ihrer Frequenz angesprochen werden. Zwar gibt es verschiedene Verfahren, um mehrere RFID-Chips gleichzeitig antworten zu lassen und die Antworten auszuwerten. Wenn sich aber bei einer Suche hunderte RFID-Chips an Gegenständen zurück melden, sind die meisten gängigen RFID-Systeme überfordert. Es sollen also sich nur jene RFID-Chips auf die Anfrage des Suchgeräts hin melden, die bestimmte, gewünschte Merkmale haben: eine bestimmte Identifikation, die einem konkret gesuchten Gegenstand entspricht, oder eine festgelegte Gruppe von Gegenständen( z.B. Werkzeuge, Bücher, Dokumente, Kleidung).

Die wichtigste Anpassung muss aber am RFID-Scanner statt finden, denn hier geht es, anders als bei der herkömmlichen RFID-Anwendung, nicht um Informationen über den Gegenstand, sondern um seine Position. Der Scanner muss also nicht einen Informationstext ausgeben, sondern eine Visualisierung haben, welche die ungefähre Richtung und Entfernung des Gegenstands anzeigt. Solche Visualisierungen (z.B. "Radarschirm") sind für andere Funkortungen, etwa von WLAN und Bluetooth, schon gängig und können einfach auch auf RFID übertragen werden.

Die meisten verwendeten RFID-Etiketten erzeugen aus dem Funkimpuls des Scanners Strom und senden damit ihr eigenes Funksignal zurück. Sie haben also keine eigene Energiequelle und werden deswegen passive Tags genannt. Die Reichweite ihrer zurück gesendeten Signale kann mehrere Meter betragen, womit sie für den genannten Zweck brauchbar sind. Weiter gibt es die aktiven RFID-Tags, die eigene Stromquellen haben und damit wesentlich größere Antwortreichweiten erzielen.

Für unterschiedliche Gegenstände gibt es unterschiedliche, geeignete RFID-Etiketten:
  • Standardetiketten: für alle Gegenstände, wo keine besonderen Belastungen oder Anforderungen vorliegen, also etwa ein etwas dickeres Etikett kein Problem darstellt
  • Folienetiketten: für Bücher oder Papier-Dokumente, CD/DVD
  • Vor Wasser, Chemikalien usw. geschützte Etiketten: Kleidung (Waschen)
  • Vor mechanischer Belastung oder Zerstörung geschützte Etiketten, z.B. für Werkzeuge
  • Wechseletiketten, die nacheinander auf verschiedene Gegenstände aufgeklebt werden können: für Einwegverpackungen, Flaschen usw., die nach Verbrauch weggeworfen und durch neue ersetzt werden.
  • Aktive Tags, teuer, aber mit großer Reichweite: Für wenige, besonders für Verlegen anfällige Gegenstände, z.B. Schlüssel, Geldbörse, Brille
Ein solches System würde das Verlegen und Suchen von Gegenständen praktisch eliminieren. Sachen können beliebig herumliegen, was stundenlanges Aufräumen und die bewusste Überwachung jedes Handgriffs, um gebrauchte Gegenstände gleich wieder an Ort und Stelle zurück zu legen, überflüssig macht. Millionen von Menschen könnten den aussichtslosen Kampf gegen das Chaos aufgeben und sich wieder auf wichtige Dinge konzentrieren. Selbst in einer extremen Messie-Wohnung können die Bewohner nötige Gegenstände per Scanner fast so schnell finden wie ein ordentlicher Mensch, der sie stets an Ort und Stelle liegen hat.

Weil aber extremes Chaos auch optisch unschön aussieht, wäre ein System von Nutzen, das dieses Chaos kaschiert und trotz fehlender Fähigkeit der Bewohner zur Ordnung einen ansprechenden Eindruck macht. Ideal hierzu wäre ein System von Kisten und Regalen, in welche die Kisten gestellt werden. Die Regale und Kisten werden äußerlich wie normale Möbelstücke gestaltet. Tatsächlich aber werden gebrauchte, herumliegende Gegenstände nur ungeordnet in Kisten gelegt; bei Bedarf geht man mit dem RFID-Scanner an ihnen entlang und sucht benötigte Dinge heraus. Das Aufräumen entfällt damit zwar nicht völlig, aber das ungeordnete Einpacken in Kisten dauert nur kurze Zeit, verglichen mit dem klassischen Aufräumen, wo Dinge sortiert und an Ort und Stelle gebracht werden müssen.

Eine aktuelle Technologie würde also hier genutzt, um besonders lästige und unangenehme Arbeiten überflüssig zu machen und Menschen, die dazu nicht in der Lage sind, von den damit verbundenen Nachteilen zu befreien.


Mancher mag diesen Text als Satire sehen, und wohl mancher Leser wird darüber lachen. Er ist aber in der Sache absolut ernst gemeint, und ich bin überzeugt, dass in den nächsten Jahren vergleichbare Systeme auf den Markt kommen!


Siehe auch:
Erzwungene Arbeit und Pflichten - Ein Übel, das zu bekämpfen ist!
RTLS - Real Time Locating (Wikipedia, engl.)
Schritte in die richtige Richtung:
Loc8tor
Armbanduhr gegen die Vergesslichkeit

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